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MENSCHLICHE STEUERUNG TRIFFT

AUF ROBOTISCHE PRÄZISION

MENSCHLICHE STEUERUNG TRIFFT AUF ROBOTISCHE PRAZISION

Fotos: Alpha Robotics, Angatec, Boston Dynamics, Dok-Ing, Hauberg, Howe&Howe, Jerg, LUF, Magirus, Rosenbauer, Shark, Taurob, Telerob, Trypper Rescue / Mit freundlicher genehmigung von Alpha Robotics

Mit seiner Expertise im Bereich der Robotik im Feuerwehreinsatz ist Oliver Rasche nicht nur CEO eines renommierten Unternehmens im Feuerwehrmarkt, sondern auch der erste Feuerwehr-Fachberater für Rettungsrobotik und ferngesteuerte Systeme in Deutschland.

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Ferngesteuerte Systeme werden direkt vom Bediener kontrolliert, meist in Sichtweite.
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Die Robotik hält zunehmend Einzug in die Welt der Feuerwehr. Begriffe wie “Löschroboter”, “taktischer Einsatzroboter” oder “Löschunterstützungsfahrzeug” werden immer häufiger verwendet. Doch was verbirgt sich tatsächlich hinter diesen Bezeichnungen? Für die Leser von Brandheiß haben wir mit Oliver Rasche, dem CEO von Alpha Robotics Germany GmbH&Co.KG, gesprochen und ihn um seine Einschätzung gebeten.

Herr Rasche, Sie sind nicht nur der Herstellervertreter eines namhaften Unternehmens im Feuerwehrmarkt, sondern auch der erste Feuerwehr Fachberater für Rettungsrobotik und ferngesteuerte Systeme in Deutschland.   

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Löschrobotern, taktischen Einsatzrobotern und Löschunterstützungsfahrzeugen?

Das ist eine wichtige Frage, die Klarheit verdient. In der Robotik gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, was einen Roboter ausmacht. Oft wird der Begriff “Roboter” für Maschinen verwendet, die programmierbar sind und komplexe Aufgaben erfüllen können, sei es autonom oder ferngesteuert. Im engeren Sinne versteht man unter einem Roboter jedoch ein System, das eigenständig, also ohne unmittelbare Eingaben eines menschlichen Bedieners, handeln kann.

Die aktuellen Geräte im Feuerwehreinsatz sind meist ferngesteuerte Systeme, die direkt von Menschen bedient werden. Daher ist der Begriff “Löschroboter” nicht ganz zutreffend, obwohl er weit verbreitet ist. Es gibt zahlreiche Forschungsprojekte an Hochschulen, in Unternehmen und Vereinen, die sich mit echter Rettungsrobotik beschäftigen. Wann jedoch der erste vollständig autonome Löschroboter marktreif sein wird, ist schwer abzuschätzen. Bei Alpha Robotics arbeiten wir daran, robotische Assistenzsysteme in ferngesteuerte Geräte zu integrieren, um den Bediener zu unterstützen und die Arbeit schneller, präziser und sicherer zu gestalten.

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In komplexen und gefährlichen Umgebungen können solche Assistenzsysteme einen echten Mehrwert bieten
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Können Sie uns mehr über diese Assistenzsysteme erzählen?

Gerne. Diese Systeme zielen darauf ab, dem Operator gewisse Aufgaben abzunehmen oder zu erleichtern. Das können beispielsweise automatische Stabilisierungssysteme, Sensordatenfusion oder teilautonome Fahrfunktionen sein. In komplexen und gefährlichen Umgebungen wie Feuerwehreinsätzen können solche Assistenzsysteme einen echten Mehrwert bieten. Angesichts der Herausforderungen – wie hochdynamische Einsatzumgebungen, extreme Hitze, Wasser, Rauch und unwegsames Gelände – wird die angewandte Rettungsrobotik ein sehr innovativer Markt sein. Wir stehen hier vor spannenden Entwicklungen.

Wie sollten Ihrer Meinung nach die heutigen Produkte bezeichnet werden?

Angesichts der aktuellen Technologie halte ich Begriffe wie “Löschunterstützungsfahrzeuge” oder “ferngesteuerte Löschsysteme” für treffender. Auch “teleoperativ geführte taktische Einsatzunterstützungssysteme” sind gebräuchlich. Es wäre wünschenswert, wenn wir innerhalb der Feuerwehr-Community zu einer einheitlichen Terminologie kämen. Mir ist jedoch bewusst, dass es verschiedene Sichtweisen gibt und andere Klassifizierungen existieren.

Sie haben die unterschiedlichen Systeme angesprochen. Wie lassen sich diese heute am ehesten unterscheiden?

Obwohl es verschiedene Klassifikationsansätze gibt, möchte ich eine mögliche Einteilung vorstellen, um die Bandbreite der verfügbaren Systeme zu verdeutlichen. Dabei gilt bei ferngesteuerten Produkten der Grundsatz: Menschliche Steuerung trifft auf robotische Präzision. Die Systeme können grob in folgende Kategorien unterteilt werden:

1. Systemträger:
Vielseitige, ferngeführte Plattformen

  • Kernfähigkeit im Fokus der Fahrzeugarchitektur
  • Vielseitigkeit: Ausstattbar mit Schienenfahrsatz, Ladekran, Seilwinde, Räumschild, Belüf- tung, Brandbekämpfung
  • Fokus: Oft etablierte Turbinen- löschgeräte
  • Beispiele: Magirus TAF35, LUF60

1 Systemträger

Magirus TAF35

LUF60

1 Systemträger

Magirus TAF35

LUF60

2. Wechselsystemträger:
Modulare Systeme für vielseitige Anwendungen

  • Modulare Bauweise für schnel- len Werkzeugwechsel
  • Anpassbar an verschiedene Ein- satzszenarien
  • Zeitersparnis durch rasche Umrüstung
  • Vielseitige Verwendungsmög- lichkeiten
  • Beispiele: Magirus Wolf C1, Angatech Tech800, Jerg X-Cat, Rosenbauer RTE, Howe & Howe EV2, LUF Nano, Shark Robotics Colossus, Trypper Rescue

2 Wechselsystemträger

Magirus Wolf C1

Angatech Tech800

Howe & Howe EV2

Trypper Rescue

LUF Nano

Shark Robotics Colossus

Jerg X-Cat

Rosenbauer RTE

3. Taktische Systemträger:
Spezialisiert auf schnelle Erkundungen und Interventionen

  • Vielseitige Fahrzeugplattform mit verschiedenen Fähigkeiten
  • Ziel: Maximale Flexibilität und hoher taktischer Mehrwert
  • Herausforderung: Hohe Komplexität, weshalb Hersteller oft zögern
  • Beispiele: Magirus Wolf R1, Howe & Howe Thermite RS1, Hauberg RMFR-MTR

3 Taktische Systemträger

Magirus Wolf R1

Howe & Howe Thermite RS1

Hauberg RMFR-MTR

4. Erkundungssystemträger:
Bodengebundene Aufklärung in Gefahrenbereichen

  • Spezialisiert auf Informationsge- winnung und Aufklärung
  • Alternative zu unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs)
  • Ausstattung mit Kameras, Sen- soren, Spektrometern, Manipulatoren
  • Fähig zur Personensuche und Umgebungsbeurteilung
  • Beispiele: Alpha Robotics Wolf S1, Telerob, Taurob, Boston Dynamics Spot (obwohl ursprünglich nicht für Feuerwehr entwickelt, aber adaptierbar)

4 Erkundungssystemträger

Alpha Robotics Wolf S1

Telerob

Taurob

Boston Dynamics Spot

5. Großsysteme:
Hochspezifische Fähigkeiten für komplexe Szenarien

  • Entwickelt für extreme Einsatz- szenarien wie Großschadensereignisse oder Naturkatastrophen
  • Spezialfähigkeiten für maximale Effizienz
  • Größer und leistungsfähiger als andere Systeme
  • Beispiele: Alpha Robotics Super- wolf HR1, LUF300, Howe & Howe Thermite RS3, Dok-Ing MVF-5

5 Großsysteme

Alpha Robotics Superwolf HR1

LUF300

Dok-Ing MVF-5

Howe & Howe Thermite RS3

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Ich Freue mich, dass sich die Feuerwehr-Community mehr und mehr für diese Technologien öffnet und aktiv an deren Weiterentwicklung mitwirkt.
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Sie haben die Begriffe “ferngesteuert” und “teleoperativ geführt” erwähnt. Worin liegt der Unterschied?

In der Praxis werden diese Begriffe oft synonym verwendet, aber es gibt feine Unterschiede. Ferngesteuerte Systeme werden direkt vom Bediener kontrolliert, meist in Sichtweite. Die Steuerung erfolgt in Echtzeit, und der Operator kann die Aktionen des Fahrzeugs unmittelbar beurteilen. Teleoperativ geführte Systeme hingegen werden oft außerhalb der Sichtlinie des Bedieners eingesetzt. Hier ist eine erweiterte Technologie erforderlich, wie zum Beispiel ein mobiler Fahrzeugleitstand – bei uns die Vehicle Control Unit (VCU) – mit großen Monitoren und möglicherweise zusätzlichen Sensoren oder UAV-Unterstützung. Dies ermöglicht eine präzisere Steuerung auch unter schwierigen Bedingungen, etwa bei Rauch oder in unübersichtlichem Gelände.

Wie wähle ich das passende System für meine Bedürfnisse aus?

Zunächst ist es wichtig, den Bedarf klar zu identifizieren. Welche Fähigkeitslücken sollen geschlossen werden? Welche Einsatzszenarien sind wahrscheinlich? Auch das verfügbare Budget spielt eine Rolle. Eine gründliche Analyse hilft, die Anforderungen an das Produkt zu definieren. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Welcher Einsatzschwerpunkt ist zu erwarten?
  • Welche Geländegegebenheiten sind typisch?
  • Welche Schadensereignisse gab es in den letzten Jahren?
  • Sind zukünftige Veränderungen im Verantwortungsbereich zu erwarten?
  • Muss das System an veränderte Bedingungen anpassbar sein?

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Robotik im Feuerwehrwesen?

Die verfügbaren Systeme erleichtern die oft gefährliche und anstrengende Arbeit unserer Einsatzkräfte erheblich. Alle Hersteller bemühen sich, praxisnahe und effektive Lösungen zu entwickeln. Der technologische Fortschritt ist rasant, und wir arbeiten ständig an der Zukunftstauglichkeit unserer Produkte.

Ich freue mich, dass sich die Feuerwehr-Community mehr und mehr  für diese Technologien öffnet und aktiv an deren Weiterentwicklung mitwirkt. Auch müssen nunmehr die komplexen Normungsverfahren und Anpassungen in der Lehre deutlich vorangetrieben werden, um so letztlich auch Beschaffungen zu ermöglichen. Eine einheitliche Terminologie und der Austausch von Erfahrungen würden uns allen helfen. Letztendlich profitieren wir gemeinsam – Hersteller, Feuerwehrleute und vor allem die Menschen, denen wir im Notfall helfen.

Vielen Dank für das informative Gespräch, Herr Rasche.

Hinweis: Dieses Interview spiegelt die persönlichen Ansichten von Oliver Rasche wider. Die Klassifizierungen und Einschätzungen dienen als ein möglicher Ansatz und können von anderen Experten unterschiedlich interpretiert werden.

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