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Ein Unimog

FÜR DIE KINDERFEUERWEHR

EIN UNIMOG FÜR DIE KINDERFEUERWEHR

TEXT HERMANN KOLLINGER
FOTOS THOMAS RAUX

Kinderfeuerwehren sind vor allem in Deutschland keine Seltenheit mehr. Mehr als selten ist jedoch, dass den Sprösslingen ein eigenes Löschfahrzeug zur Verfügung steht. Bei der Freiw. Feuerwehr Bad Soden Neuenhain ist das jedoch der Fall. In 700 Arbeitsstunden entstand ein außergewöhnlicher und funktionsfähiger Unimog, der auch für die Ausbildung eingesetzt wird.

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100 STD. BENÖTIGTE NUR DIE PLANUNG
ALS 3-D-CAD-MODELL
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Nicht genutzte Euphorie

Diese kindliche Faszination für die Feuerwehr wurde vor allem in Österreich lange Zeit nicht entsprechend genutzt. Bis zum möglichen Eintritt in eine Feuerwehr mit 10 Jahren waren und sind es oft viele andere Vereine und Institutionen, die die Begeisterungsfähigkeit der Kinder für sich nutzen. Wären die Kinder dann so weit für unsere Organisation, sind deren Freizeitkapazitäten schon mit anderen Dingen belegt. Deutschland geht bereits seit längerer Zeit den Weg, anhand von Kinderfeuerwehren das Potenzial zu nutzen. Österreich zog schlussendlich mit der Senkung des Eintrittsalters in die Feuerwehrjugend von 10 auf 8 Jahre nach. Eine außergewöhnliche Idee zu dieser Problematik stammt von Andreas Gasser von der Freiw. Feuerwehr Bad Soden Neuenhain in Hessen. Er konstruierte und baute für die begeisterten Kinder ein Löschfahrzeug. Natürlich funktionsfähig, keine Frage. Dank originalgetreuer Ausstattung ist es zudem ideal für die fachliche Ausbildung der „Löschfüchse“ geeignet.

 

Zu groß für die Kinderhände

Ab ihrem sechsten Geburtstag dürfen in Deutschland Jungs und Mädels zur Kinderfeuerwehr in Neuenhain. Mit dem Einstieg des Sohnes von Andreas Gasser startet bereits die vierte Generation in den Dienst der Feuerwehr. «Spätestens hier offenbarte sich mir ein großes Problem, mit denen die jungen, motivierten Kinder konfrontiert sind: Oft sind die Kids nicht einmal so groß wie die Reifen unserer normalen Fahrzeuge hoch sind“, sagt Gasser. «Das macht die Sache alles andere als einfach, denn nicht nur die Fahrzeuge, sondern das gesamte Equipment ist nicht für Kinderhände gemacht – schwer, sperrig und daher potenziell gefährlich in der Handhabung», ergänzt Marco Müssig. Er ist nicht nur Kommandant der Wehr, sondern – wie in Deutschland häufig der Fall – auch der Vorstandsvorsitzende des Feuerwehrvereins. 

Gleichzeitig wollen die Kleinen es aber ihren großen Vorbildern nachmachen und nicht nur spielen. Sie möchten gerne selbst auch die Heldenrolle ergreifen und feuerwehrtechnisch ein wenig trainieren. Ein völlig verständlicher Aspekt.

Feuerwehrleute üben eine ganz eigene Faszination auf Kinder aus. Hier werden die Kinder spielerisch und systematisch an die Thematik herangeführt.

Idee kam beim Improvisieren

„In den vergangenen Jahren haben wir das immer mit kleinen Schläuchen in Kisten und Boxen geübt“, fährt Marco Müssig fort. «Wir mussten die Kinder aber an den Pumpen-Bedienstand hochheben, damit sie überhaupt sehen, was passiert.» Keine optimale Lösung, aber wie schon erwähnt, Feuerwehr ist nicht unbedingt für Kinder gemacht, was auch legitim ist. 2018 hatte Andreas Gasser dann aber eine Idee, die das Arbeiten in der Kinderfeuerwehr revolutionieren sollte. 

Fünf Jahre Bastelerfahrung

Andreas Gasser ist nicht nur Feuerwehrmann, sondern auch ein Technikfreak und Bastler. Als gelernter Automobilmechaniker hat es ihm dann auch alles rund um den Mercedes Benz Unimog angetan. «Ich habe mich schon als Kind mit dem Unimog-Fieber infiziert», scherzt Andreas Gasser, der sich erinnert, dem Nachbarn beim Schrauben über die Schultern gesehen zu haben. Dass das Miniatur-Übungsfahrzeug am Ende ein Unimog wurde, ist kein Zufall. Nach seiner Ausbildung als Automobilmechaniker bei Daimler in Frankfurt kaufte er sich seinen eigenen Unimog – ein Bastlerstück, wie er sich erinnert. Mit viel Liebe zum Detail reparierte und werkelte er fünf Jahre lang an seinem Unimog 411, bis er wieder fahrtüchtig war. 

Vom CAD-Modell zum Elektrofahrzeug

„Nachdem ich an meinem 3-D-CAD-Modell ausgiebig gefeilt hatte (und dabei rund 100 Stunden ins Land gezogen sind), ging der Bau der ‚Hardware‘ relativ schnell“, erinnert sich Gasser weiter. Fahrgestell, Fahrerhaus und Aufbau waren bereits im Winter 2019/20 fertig. Nachdem auch die Kabel und Drähte verbaut waren, ging es an die Feinarbeiten. «Die Pumpe war die größte Herausforderung», so der Hobbybastler. Nach rund weiteren 600 Arbeitsstunden war das Werk schließlich getan. Die selbstansaugende Kreiselpumpe arbeitet übrigens mit nur 24 V statt der üblichen 230 Volt. Und sie ist ein Unikat, das es nicht zu kaufen gibt. «Alles selbst gebaut», so Gasser mit (berechtigtem) Stolz. Die Pumpe fördert bei Entnahme im offenen Gewässer übrigens satte 3.000 Liter pro Stunde und kann drei D-Rohre mit Wasser versorgen. 

 

Die glänzenden Kinderaugen verraten es: Feuerwehr ist ein cooles Hobby! Große Freude kommt auf, wenn die „Löschfüchse“ tatsächlich Hand anlegen dürfen.

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ZUR SICHERHEIT DER KINDER KANN DAS FAHRZEUG MITTELS FERNBEDIENUNG JEDERZEIT UND SOFORT ABGESCHALTEN WERDEN
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Kein Spielzeug, sondern ein sinnvoller funktionsfähiger Lehrgegenstand ist dieser Unimog. Die Pumpe fördert bis zu 3.000 Liter pro Stunde bei Entnahme im offenen Wasser.

Wie bei den Erwachsenen müssen auch die „Löschfüchse“ schlussendlich eine Führerscheinprüfung der besonderen Art absolvieren.

Alleskönner im Kleinformat

„Zu einem vollständigen Unimog gehört aber auch eine Seilwinde“ befand Gasser weiter. Im Falle des Mini-Fahrzeugs ist sie aus Sicherheitsgründen allerdings mit einem Kunststoffseil ausgestattet. Auch ein 230 Volt-Generator mit 500 Watt Dauerleistung ist verbaut! Die Konstruktion ist – ganz wie ihr großes Vorbild – flexibel einsetzbar. «Je nachdem, was wir mit den Kindern üben, können wir eine oder auch zwei Euro-Boxen nach Belieben im Aufbau befestigen», erklärt Marco Müssig den Einsatz beim Training. 

 

Sicherheit kommt nicht zu kurz

Bei einem derartigen selbst gebauten Fahrzeug gibt es natürlich keinen TÜV, der die Technik auch abnimmt. Sicherheit ist jedoch gerade hier von größter Bedeutung. Der Maschinenbauingenieur hat deshalb besondere Umsicht bei der Konstruktion des Mini-Trucks walten lassen. Von Anfang an stand für ihn fest, dass die Kinder nur an einem emissionsfreien Fahrzeug üben sollten. Die Batterie des elektrisierten Fahrzeugs hält bei voller Ladung gute eineinhalb Stunden und ist über eine Fernbedienung an- und abschaltbar. So hat der jeweilige Betreuer immer die Kontrolle über den Feuerwehr-Nachwuchs, der auf einem gesicherten Gelände seine Übungsfahrten vollführt. Auch die Pumpe, der 230-V-Generator und die Seilwinde mit 900 W Leistung sind an die Fernbedienung gekoppelt. Martinshorn und Hupe haben eine gedrosselte Lautstärke, um die Ohren der Kinder nicht zu sehr zu strapazieren. 

 

Auch Physiklehre ist im Spiel

Als Berufsschullehrer hatte Andreas Gasser neben den möglichst realitätsnahen Übungen noch eine andere Mission: «Ich wollte sowohl für die Feuerwehr als auch für die Allgemeinbildung einen Lerneffekt erzielen, weshalb mir die Funktionen in allen Details sehr wichtig waren. Am Beispiel der Batterie und ihrer Funktion lässt sich hervorragend ein anschaulicher Physikunterricht betreiben», ist Gasser, dessen Fachgebiet Elektromobilität ist, stolz auf das Werk.

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