SKIDOO ALS
PISTENRETTER
Skidoo als Pistenretter
TEXT & FOTOS HERMANN KOLLINGER
Wer einen Skidoo sieht, denkt vermutlich zuerst mehr an Action und Spaß anstatt an ein Rettungsmittel. Im oberösterreichischen Mühlviertel hingegen haben die Feuerwehr Ulrichsberg und das Rote Kreuz damit nach einem tragischen Zwischenfall ein Rettungskonzept für die vielen Kilometer an Langlaufloipen entwickelt.
» Es wäre nicht die Feuerwehr, würde man nicht das Beste aus dem Gerät herausholen wollen «
Skidoos sind bei den meisten von uns wohl als coole Flitzer bekannt, mit denen es sich im Winter durch die Landschaft und durchs Gelände düsen lässt. Wer das noch nicht kennt, dem ist vielleicht – vom Sitzen und vom Handling her betrachtet doch recht ähnlich – aus dem Sommerurlaub der Jetski ein Begriff. Kaum jemand wird somit den Skidoo in erster Linie mit einem Rettungsgerät in Verbindung setzen. Grübeln wir dann jedoch ein wenig, haben wir sicher im Winter schon mehrfach in den Medien verfolgen können, dass die Feuerwehrmannschaften und auch die Ausrüstung aufgrund der Schneelage nur mit Skidoos zum Einsatzort gebracht werden konnten. Wir kommen also der Tauglichkeit für den Feuerwehrdienst schon etwas näher und reisen damit gleichzeitig in den oberösterreichischen Bezirk Rohrbach bzw. in die Gemeinde Ulrichsberg. Ulrichsberg ist eine knapp 3.000 Einwohner zählende Pflichtbereichsklasse 4 Gemeinde mit einer Fläche von ca. 60 km² und großen Höhenunterschieden.
Nordisches Zentrum Böhmerwald-Schöneben
Neben zahlreichen – auch größeren – Betrieben (beispielsweise kommt der Neuburger, zu dem man laut Werbung niemals Leberkäse sagen sollte, von dort) befindet sich in Ulrichsberg auch das „Nordische Zentrum Böhmerwald-Schöneben“. Darüber werden unter anderem mehrere Langlaufloipen mit Dutzenden Kilometern Strecke durch zum Teil schwer oder gar nicht befahrbares Gelände angeboten. Bei entsprechender Schneelage stellt dieses Angebot einen Magneten für Sporthungrige dar. Viele Menschen beim Sport ziehen naturgemäß auch Unfälle mit unterschiedlichsten Verletzungsmustern mit sich, von der leichten Verstauchung bis hin zur Notwendigkeit eines Liegend-Transports des betroffenen Patienten.
Viel Betrieb war im besagten Langlaufzentrum auch beim Fotoshooting 2023, als sich die großen Neuschneemengen als auch das traumhafte Winterwetter optimal für das Fotoshooting angeboten haben. Es war Fotoshooting für einen echten Feuerwehr-Skidoo. Dieser wurde jedoch aus allen anderen Gründen als für Jux und Tollerei in den Dienst gestellt bzw. in weiterer Folge feuerwehrtechnisch ausgestattet.
Medizinischer Notfall
Ein medizinischer Notfall mit anschließender Todesfolge und fehlende Zufahrtsmöglichkeiten zum direkten Unglücksort hatten die Gemeinde Ulrichsberg vor einigen Jahren dazu bewegt, für Hilfeleistungen dieser Art einen Skidoo anzuschaffen. Dieser wurde in weiterer Folge im Langlaufzentrum eingestellt. Aus versicherungstechnischen Gründen ist es den Sanitätern der zuständigen Rotkreuz-Dienststelle jedoch nicht erlaubt, bei Einsätzen das Spezialfahrzeug zu lenken. Im entsprechenden Bedarfsfall musste das Rote Kreuz daher bei Notfällen die Gemeinde verständigen. Diese wiederum machte sich telefonisch auf die Suche nach einem gerade zur Verfügung stehenden Bediensteten – meist vom Bauhof –, der sich dann zum Langlaufzentrum begab, den Skidoo steuerte und die Sanitäter zum Einsatzort brachte.
GROSSES DURCHHALTEVERMÖGEN
Die Idee eines Feuerwehr-Skidoos kam bereits 2019 auf, doch es sollte mehrere Jahre dauern, bis das Konzept tatsächlich umgesetzt werden konnte.
Konzept im zweiten Anlauf
Vor inzwischen vier Jahren machte man sich bei der Feuerwehr Ulrichsberg erste Gedanken über den Skidoo der Gemeinde. Feuerwehrkommandant Lukas Schauberger im Gespräch: „Wir hatten uns bereits im Februar 2019 im Zuge unseres jährlichen Workshops Gedanken über die Brandbekämpfung im Ortsteil Schöneben gemacht (Ramenai und diverse Häuser in Sonnenwald und Lichtenberg sind im Winter mit Feuerwehrautos teilwiese nicht erreichbar). In der Folge gab es auch gleich Überlegungen, im selben Atemzug den Patiententransport bei medizinischen Notfällen zu übernehmen, da es zu diesem Zeitpunkt kein Einsatzkonzept der Gemeinde dazu gab.“ Die Bemühungen sollten jedoch vergebens sein, denn der Vorschlag gegenüber der Gemeinde wurde 2020 abgeblockt. Wie es im Feuerwehrwesen so ist – Insider kennen die oft zermürbenden Anstrengungen, wenn es um neue Feuerwehrhäuser oder Fahrzeuge geht –, bedurfte es auch hier einem entsprechenden Durchhaltevermögen bzw. längeren Atem. 2021 ging man den Weg zur Gemeinde ein weiteres Mal. Man hatte ein bereits ausgearbeitetes Gesamteinsatzkonzept in der Tasche. Die Vorbereitungen wurden nun belohnt und die Agenden an die Feuerwehr übertragen.
Am Weg zum Feuerwehr-Skidoo
Feuerwehrkommandant Schauberger weiter: „Nachdem wir als Feuerwehr Ulrichsberg nun offiziell mit dem Dienstbetrieb des Skidoos beauftragt worden waren, haben wir gleich einmal ein Service am Fahrzeug vorgenommen. Es war das erste nach sieben Jahren Betrieb.“ Damit war das Spezialfahrzeug für die Saison 2021 / 2022 einmal grob fertig und einsatzbereit. Aber Feuerwehr wäre nicht Feuerwehr, würde man nicht das Beste aus dem Gerät herausholen wollen. Hier war es nicht anders. Der Gerätewart der Wehr Christoph Strasser rückte dem Skidoo im Sommer und Herbst 2022 ans Leder. Aber gründlich. Unter seiner Fittiche wurde der Schneeschlitten komplett zerlegt, der Rahmen ausgerichtet, eine Rostbehandlung durchgeführt, grundiert und lackiert. Weiters wurden die komplette Elektronik erneuert und eine LED-Umfeld Beleuchtung, Fernscheinwerfer sowie Blaulicht und Folgetonhorn aufgebaut. Der Überrollbügel dient nun nicht nur der Optik, sondern hat ebenso sicherheitstechnische Aspekte. Schlussendlich wurde der Skidoo noch der Designlinie der Freiwilligen Feuerwehr Ulrichsberg angepasst. Somit ging der Pistenretter komplett überholt und wie neu in die Wintersaison 2022 / 2023. Die Kosten für das Upgrade wurden von der Gemeinde übernommen.
Herausfordernder Einsatz
Inzwischen hat die Wehr in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz bereits einige Einsätze mit dem Skidoo abgearbeitet. Der bislang mit Abstand härteste Einsatz ging nur drei Tage vor dem Fotoshooting über die Bühne. Es war der 2. Februar 2023, wie Kommandant Schauberger schildert: „Hier forderte uns das Rote Kreuz zum Patiententransport nach. Bei einem Haus im Böhmerwald oberhalb von Pfaffetschlag war eine Person auf der geräumten Zufahrt gestürzt und hatte sich dabei den Fuß gebrochen. Eine Zufahrt mit einem Pkw war über die verschneite Forststraße nicht möglich. So machte sich das Skidoo-Team mit einem Sanitäter auf den Weg. Zwei weitere Kollegen besetzten das Kommandofahrzeug, um von dort den Einsatz zu koordinieren. Im ca. 1 Meter tiefem Neuschnee war die Fahrt mit dem Skidoo eine gewaltige Herausforderung. Immer wieder musste das Fahrzeug ausgeschaufelt werden, da es die Besatzung im weichen Schnee „verschnitten“ hatte. Weiters mussten bis am Boden herunterhängende Äste vom Schnee befreit werden, um weiterfahren zu können. Nach gut einer Stunde (!) nach Alarmierung waren wir beim Patienten angekommen. Dieser wurde vom Sanitäter erstversorgt und anschließend mit dem Skidoo zum Rettungswagen transportiert. Auf der Rückfahrt musste der Akja abgeholt werden, da mit diesem ein Weiterkommen im Gelände nicht möglich war. Nach etwa zwei Stunden war der Einsatz beendet.
» Die Einsatzübungen mit dem Skidoo sollen auch Spaß machen! «
Alarmierung & Ablauf
Sobald das Rote Kreuz eine Alarmierung in einem der betreffenden Bereiche (Langlaufloipe, nicht erreichbare Gebäude) erhält, wird diese Info an die Landeswarnzentrale in Linz weitergegeben. Diese löst bei der Feuerwehr Ulrichsberg dann die Rufempfänger der „technischen Gruppe“ aus. Mindestens zwei Mann machen sich in weiterer Folge mit dem Kommandofahrzeug zum Treffpunkt „Loipenhaus“ auf den Weg, wo man sich dann mit den Sanitätern des Roten Kreuzes abspricht. Ein Feuerwehrmann und zwei Sanitäter rücken mit dem Skidoo samt dem Anhängeschlitten aus. Ein Mann bzw. die restliche Feuerwehrmannschaft bleibt im Kommandofahrzeug vor dem Loipenhaus stehen und unterstützt von dort das Skidoo-Team (Nachalarmierung, Einweisen nachalarmierter Kräfte, Annehmen von Infos anderer Langläufern, wenn z.B. der genaue Unfallort nicht bekannt ist).
332 kg Spielzeug?
Spätestens jetzt sollte auch der letzte Kritiker oder Neider zur Überzeugung gelangt sein, dass der Skidoo mit 60 cm Raupenbreite kein Spielzeug für die Feuerwehr darstellt. Ja, natürlich, es ist – so wie beim Fotoshooting – ein außergewöhnliches Feeling, damit durch den verschneiten Wald zu fahren und zu zeigen, wo sich die Loipen befinden. Und ja, es ist technisch und geschicklich eine gar nicht so kleine Herausforderung, schwierige Stellen mit dem Vehikel zu meistern. Je mehr Beladung, umso kniffliger wird auch das Fahren von Kurven mit dem Gespann und erinnert dabei fast an eine Person im Beiwagen eines entsprechenden Motorrades. Oben geschilderter Einsatz hat demonstriert, dass es notwendig ist, den Umgang mit dem Gerät zu üben. Und diese Übung darf durchaus – wie jede andere auch – Spaß machen. Wieso denn auch nicht, schon die Kinder lernen heute, das Weiterbildung Spaß machen darf und soll bzw. wird die Effizienz damit erhöht.
Kernpunkt ist, dass das 49 kW (66 PS) starke Spezialgefährt mit 800 ccm Rotax-4Takt-Bezinmotor im Bedarfsfall bereits ausgezeichnete Dienste geleistet hat und das Dank des Einsatzkonzeptes weiterhin auch leisten wird. Das Skidoo vom Typ Yeti Pro V800 (Bergedition) weist übrigens die Abmessungen von 3.070 mm Länge und 1.155 mm Breite auf und geht per Elektrostarter in den Betriebsmodus. Ein Rückwärtsgang steht zwei Vorwärtsgängen gegenüber.
Weitere Einsatzzwecke
Die Hauptaufgabe mit dem Skidoo bzw. dem Anhänger ist der Transport des Roten Kreuzes bei medizinischen Einsätzen im Langlaufgebiet. Weiters wird das Gefährt für Sucheinsätze und bei Bränden im Winter genützt. Zudem ist der Pistenretter auch für den Transport von Tragkraftspritze und Schläuche am Anhänger geeignet. Die erforderlichen Halterungen für die Tragkraftspritze und Schläuche stehen bei Drucklegung der Ausgabe auf der „To-do-Liste“ und werden dann wohl für die nächste Saison zur Verfügung stehen.
Fazit
Die Feuerwehr hat aus dem Skidoo nicht nur ein außergewöhnliches Spezialfahrzeug gebastelt, sondern dem Langlaufzentrum vor Ort ein kompetent aufgestelltes und gut strukturiertes Einsatzkonzept geliefert, dass sich in der Praxis schon mehrfach bewiesen hat. Kritischen Stimmen begegnet man gelassen, die Praxis hat bewiesen, dass man den korrekten Weg eingeschlagen hat.