DAS COOLSTE FEUERWEHR-MAGAZIN

Ein Kontinent

in Flammen

Ein Kontinent in Flammen

TEXT HERMANN KOLLINGER
FOTOS DEAN SEWELL, DAN HIMBRECHTS, WILLIAM WEST, PETER PARKS, TORSTEN BLACKWOOD, ALLE PICTUREDESK.COM

Buschbrände in Australien sind wie jene in Kalifornien eigentlich nichts Außergewöhnliches. Außergewöhnlich ist jedoch die Dimension der Brände, die den Kontinent im Herbst dieses Jahres heimgesucht und inzwischen 1,5 Mio. Hektar Wald und Land eingeäschert haben! 

Prekär ist auch, dass Medienberichten zufolge ein 19-jähriger Feuerwehrmann verhaftet worden ist. Er steht im Verdacht, mehrfacher Brandstifter zu sein.

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ERSTMALIG HÖCHSTSTUFE
DER BRANDGEFAHR ERREICHT
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Die Buschfeuer-Nachrichten tickern inzwischen jedes Jahr über viele Agenturseiten. Sie sind inzwischen schon nahezu Standard, sodass das Geschehen selbst oft gar nicht wirklich oder nur am Rande registriert wird. Meist sind es die kalifornischen Flächenfeuer, die mit spektakulären Bildern Einzug in die Medien finden. 2019 hat es jedoch auch den australischen Kontinent dermaßen intensiv erfasst, dass man nicht daran vorbeikommt, darüber zu lesen. In Australien haben Hunderte Buschfeuer in den vergangenen Wochen weite Landstriche erfasst und verwüstet.

DEFÜRCHTUNGEN WURDEN REALITÄT

Die intensive Buschbrand-Saison 2019/2020 nahm im September ihren Ausgang. Die Experten der Feuerwehr und führende Meteorologen sollten Recht behalten: Das Frühjahr im Südosten von Australien war brandgefährdet und im Sommer sollte sich das bestätigen. Schon im Vorfeld wurde die Bevölkerung aufgerufen, sich auf die Feuergefahr und sogar auf Evakuierungen vorzubereiten. Schon im Vorfeld gingen die Behörden davon aus, dass die Brände in bewohnten Gebieten nicht nur häufiger sein, sondern auch öfters außer Kontrolle geraten werden würden. Die Feuerwehren in Australien richteten sich schon vorbeugend auf häufigere und kompliziertere Einsätze ein.

 

 

JEDEN MONAT EINE NEUE FEUERWELLE

Im September wurden in New South Wales und Queensland über 100 Gebäude durch Brände vernichtet. Besonders markant war unter anderem das Abbrennen des historischen Traktes der Binna Burra Lodge im Lamington Nationalpark. Das Feuer wurde durch eine unachtsam weggeworfene Zigarette von Jugendlichen ausgelöst. Die zweite Brandwelle im Oktober 2019 vernichtete im Norden von New South Wales in der Region um Rappsville und Ewinga weitere 30 Häuser. In der Brandwelle im November 2019 verloren in New South Wales vier Menschen ihr Leben und es wurden über 150 Häuser zerstört.  So las sich der Statusbericht von North South Wales an einem Novembertag wie folgt: „129 lodernde Feuer; 66 außer Kontrolle; 1.800 Feuerwehrleute im Einsatz.“

Am 16. November dürften Blitzeinschläge in Folge schwerer Stürme mindestens fünf Buschbrände in Queensland verursacht haben. Aufgrund eines dieser Feuer musste ein Ort auf Moreton Island evakuiert werden. Der dichte Rauch der großen Brände trieb nach Osten aufs Meer, was auf den Satellitenbildern deutlich zu sehen war. In Queensland brannten besonders intensive Buschfeuer in Cobraball bei Yeppoon und in Cooroibah bei Noosa an der Sunshine Coast. Das Feuer bei Cobraball war 14 Kilometer lang und sechs Kilometer breit und brannte an mehreren Fronten. Am 13. November wurden im Südosten von Queensland in zahlreichen Urlaubsorten an der Küste Evakuierungen angeordnet.

DAS UNBEZWINGBARE BEKÄMPFEN
Angesichts solcher Bilder scheint der Kampf gegen die Flammenhölle aussichtslos. Oft ist es das  auch.

VERSCHMELZUNG ZU EINEM MEGA-BRAND
Wenn Einzelbrände aufeinandertreffen, vereinen sich diese zu immer größeren Mega-Bränden. Diesen stehen Einsatzkräfte meistens machtlos gegenüber.

ERSTMALS „KATASTROPHALE BRANDGEFAHR“ AUSGERUFEN

Einen Tag zuvor wurde zum ersten Mal vom NSW Rural Fire Service (RFS) für die Gebiete Greater Sydney und Greater Hunter die höchste Stufe an Brandgefahr ausgerufen (= „katastrophal”). Es ist das erste Mal, dass die Region Sydney auf diesem Niveau bewertet wurde, seit die neuen Brandgefahrenklassen im Jahr 2009 eingeführt wurden. Das Buschfeuer in Cooroibah bei Noosa erzwang am 9. November die Evakuierung von 6.000 Menschen. 

HALBVERBRANNTER KOALABÄR GEHT UM DIE WELT

Dass die Buschfeuer neben dem menschlichen Leid und dem Verlust von Hab und Gut auch für die Tierwelt ein Drama sind, wurde spätestens mit dem Video eines halbverbrannten Koalabären, der von einer Frau gerettet wurde, deutlich an den Tag gelegt. Es ging gleichartig wie die Buschfeuer selbst durch viele Medien und soziale Netzwerke. Der Bär tapste verloren in den brühheißen Flammen, zog jaulend, weinend und schreiend immer wieder seine verbrannten Pfoten hoch und suchte unter Schmerzen nach einem Ausweg aus den Flammen – den es nicht gab. Doch dann kam Toni Doherty. Sie sah den verzweifelten Koala, sprang aus ihrem Auto, zog ihr Shirt aus und rettete das Tier. Zuerst übergoss sie ihn mit Wasser, dann wickelte sie ihn in das Kleidungsstück, nahm ihn mit und brachte ihn ins Koala-Krankenhaus in Port Macquarie. „Er war verbrannt“, erzählte sie in der „Channel Nine’s Today Show“ im australischen Fernsehen. „Er brannte unten, an seinen kleinen Hinterbeinen, als er an dem Baum ankam. Ich habe noch nie zuvor einen Koala winseln und jammern gehört. Mir war nicht klar, dass sie weinen können.“ Sie nannte das kleine Beuteltier Ellenborough Lewis, nach ihrem Enkelkind und besuchte es auch im Koala-Krankenhaus. Dort lag es eingewickelt in Tücher, bekam Sauerstoff und nagte an Eukalyptusblättern, wobei man gut seine verbrannte Nase erkennen konnte. Das Personal kümmerte sich hingebungsvoll um das Tier – wie um alle anderen auch. Doch es nützte nichts. Ellenborough Lewis hatte so schwere Verletzungen, dass die Pfleger entschieden, das Tier von seinen Schmerzen zu erlösen, wie die „Daily Mail“ berichtete. Aber das geschilderte Szenario wird vermutlich nur eines von vielen sein, das sich während der Feuer mehrfach unbemerkt in der Natur abgespielt hat. Schon 350 Koalabären sollen Schätzungen zufolge alleine den diesjährigen Flammen zum Opfer gefallen sein.

 

VIEL ZUNDER AM BODEN

Woher kommen diese Feuer eigentlich bzw. wieso fallen sie so regelmäßig und heftig aus? Besonders heiße und trockene Tage mit Nordwinden bringen jedes Jahr für die Wälder des Südens von Australien – etwa südlich einer Linie von Perth über Adelaide bis Brisbane – akute Waldbandgefahren mit sich. Innerhalb weniger Stunden steigen durch trockene Wüstenwinde die Temperaturen in Sydney, Melbourne, Adelaide oder Perth von angenehmen Nachttemperaturen um die 15 Grad Celsius auf Werte nahe oder über 40 Grad Celsius. Wenn sich dieser Effekt an mehreren Tagen wiederholt und es zuvor unterdurchschnittlich wenig Niederschläge gab, steigt die Gefahr von Buschfeuern dramatisch an. Der australische Wald ist zu einem großen Teil von Eukalypten und Akazien bewachsen. Insbesondere Erstere enthalten einen hohen Anteil brennbarer ätherischer Öle in ihren Blättern. Das abgefallene Laub von Eukalypten braucht zirka sechs Jahre, um zu kompostieren – das heißt, es steht wesentlich länger als Zunder auf dem Waldboden zur Verfügung. Abgefallene Rindenreste der Eukalypten sowie dürres Buschwerk bieten dem Feuer zusätzlichen „Brennstoff“. Australien ist der trockenste Kontinent der Erde. In vielen Regionen haben sich die Tier- und Pflanzenwelt dem Rhythmus von Feuer und Dürren angepasst. So ist eine Reihe von Bäumen sehr gut in der Lage sich vor „normalen“ Buschfeuern über ihre Rinde zu schützen und nach einem Buschfeuer wieder zu wachsen. 

FEUER ALS VEGETATIONSFÖRDERER

Das Feuer hat ironischerweise auch seine nützlichen Seiten. Die Samenkapseln vieler Pflanzen öffnen sich erst in der Hitze eines Buschfeuers. Erst danach kann der Samen keimen. Dies trifft beispielsweise auf den Grasbaum zu.  Versengte Eukalyptusbäume treiben schneller als unsere Bäume nach einem Feuer wieder aus. Die Eukalyptenarten verfügen dabei über einen unterschiedlichen Grad an ätherischen Ölen. Der Mountain Ash produziert über die Trockenzeiten kräftig Samen, die in harten Kapseln lagern. Nach einem Brand öffnen sich diese verholzten Kapseln unter dem Einfluss von Hitze und Rauchgasen. Auf einem Hektar befinden sich Millionen Samen, die durch die Asche gleichzeitig eine neue Basis für die nächste Baumgeneration vorfinden. Feuer gehören in Australien somit fast zum örtlichen „Way of Life“. Schon Vorfahren der heutigen Aborigines legten Feuer, wenn sie grünes Gras wachsen lassen wollten – weil es Tiere, die gejagt werden konnten, angezogen hat. Im Norden von Australien gehören kleine Buschfeuer ohnehin zum Alltag. Am Ende der Trockenzeit ziehen kleine Feuer über das Land, die das Unterholz abbrennen.

 

GROSSER ZUSAMMENHALT IN BEVÖLKERUNG 
Hausbesitzer bieten den Feuerwehrleuten Dusche, Getränke und Verpflegung an.

TIERE HABEN KEINE CHANCE 
Zahlreiche Tiere verendeten auch bei diesen Buschbränden. Ein vorerst geretteter Koala schaffte es leider nicht.

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DER BRANDGEFAHR ERREICHT
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FEUERWEHRMAN ALS BRANDSTIFTER?

Ende November berichteten mehrere Medien, dass ein 19-jähriger Mann nun in Verdacht steht, für mehrere Buschfeuer verantwortlich zu sein. Die Polizei geht davon aus, dass er das Feuer gelegt hat und dann an den Tatort zurückgekehrt ist, um bei den Löscharbeiten „seine Pflicht als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr zu erfüllen“. Er wurde festgenommen und soll wegen siebenfacher Brandstiftung vor Gericht gestellt werden. Im Visier der Polizei ist auch ein 51-jähriger Mann. Er wird verdächtigt, zum Schutz seiner Cannabis-Pflanzen einen Buschbrand gelegt zu haben. 

Brandstiftung ist leider ein gar nicht so seltenes Thema, was die Ursachen für die Buschfeuer in Australien betrifft. Es gibt viele Facetten, die zuweilen stark an südeuropäische Verhältnisse erinnern, wo in einigen Ländern Brandstiftung leider auch ein allgegenwärtiges Verbrechen darstellt. Brände in Fabriken oder Schulen werden aus Rachgier, Auflehnung gegen die Autorität, Langeweile, Lust am Vandalismus oder banalem Versicherungsbetrug gelegt. Australische Psychiater wollen angeblich wissen, dass Brandstiftungen Allmachtsphantasien unterstützen und bei manchen Tätern sogar den „angenehmen Schauer” sexueller Befriedigung auslösen, wofür es an den Brandstellen sogar Beweise gebe. Eine besondere Kategorie sind schließlich noch die Pyromanen – jene Personen mit einem krankhaften Trieb, Brände zu legen, der ausschließlich unter medizinischer Behandlung bekämpft werden kann. So müssen jugendliche Brandstifter als Rehabilitation zum Beispiel in New South Wales die Opfer im Krankenhaus oder eine Station für Patienten mit schweren Verbrennungen besuchen und bei den Aufräumarbeiten nach einem Feuer tatkräftig mitwirken. Erwachsene Brandstifter erwartet hingegen eine Haftstrafe bis zu 15 Jahren und nicht selten ein lebenslanger Aufenthalt in einer Anstalt für psychische Erkrankungen.

Australische Politiker streiten derweil über die Ursachen der Buschfeuer abseits von Brandstiftung oder Fahrlässigkeit durch Menschenhand. Vize-Premierminister Michael McCormack ist der Ansicht, dass es sich um normale Naturereignisse handle. Für ihn stellt der Klimawandel überhaupt ein nicht nachvollziehbares Hirngespinst von Verrückten dar. McCormack und andere Politiker, die einen Zusammenhang zum Klimawandel abstreiten, wurden für ihre Aussagen heftig kritisiert. Der Winter war der sechstwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und brachte rekordverdächtig wenig Niederschlag. So leidet der Kontinent bereits zum vierten Jahr in Folge unter enormer Trockenheit. 

In dieser Buschbrandsaison verbrannte bis Mitte November 2019 bereits eine Fläche von mehr als 1,5 Million Hektar.