Grosseinsatz
im Altersheim
Großeinsatz im Altersheim
TEXT BERNHARD BRANDL, FF SCHWAZ
FOTOS RFF SCHWAZ, ZOOM TIROL & ARMIN GRAF
Was soll denn schon Großartiges sein? Eine Frage, die wohl viele Feuerwehrleute schon gehört haben, wenn es wieder einmal um die Feuerwehr geht. Eines „Besseren“ belehrt wurde man in Schwaz in Tirol. Ein Brandmeldealarm rief die Feuerwehr Schwaz einmal mehr zu einer Seniorenresidenz. Dieses Mal sollte es jedoch kein Fehl- oder Täuschungsalarm sein. Ganz im Gegenteil, ein schadensreiches Großfeuer war zu bekämpfen.
Ein Brand, den es in der Form auch in Schwaz noch nicht gegeben hat.
Das vom Brand betroffene Altersheim wurde 1962 in Betrieb genommen. Das Gebäude hat drei Stockwerke und wurde in Massivbauweise errichtet. Die Zimmer des 3. Stockes sind im ausgebauten Dachstuhl untergebracht und in Trockenbauweise errichtet. Die Geschoßdecke nach oben ist eine Holz-Tramdecke – ebenfalls mit Rigips verkleidet. Bei der Geschoßdecke zwischen 2. und 3. OG handelt es sich um eine Betondecke. Das Gebäude wird über ein einziges, zentrales Stiegenhaus, das zugleich einen eigenen Brandabschnitt darstellt, erschlossen. Vom Stiegenhaus kommt man in ein Foyer, von wo sowohl der Westtrakt als auch der später betroffene Südtrakt mit den Patientenzimmern erreicht werden kann. Jeder Trakt ist mit einer Brandschutztür zum Foyer hin abgesichert. Das Heim beherbergt insgesamt 54 Bewohner.
Zum Zeitpunkt des Brandausbruches ist ein Patient zuhause, zwei befinden sich stationär im Krankenhaus Schwaz. Weiters wohnen acht Schwestern des Klosterordens, der das Heim betreibt, im Gebäude. In der Nacht sind zwei Pflegekräfte für die Patienten zuständig.
FOLGENREICHER KURZSCHLUSS IN DER ZWISCHENDECKE
Im betroffenen Trakt sind sieben Zimmer untergebracht. Der Brand bricht im Bad des rechten vorletzten Zimmers des Südtraktes aufgrund eines Kurzschlusses in der Zwischendecke aus. Für den Gebäudeschutz ist eine Brandmeldeanlage in Vollschutz installiert. Die Melder im Dachboden sind allerdings nicht ganz an der Decke angebracht, sondern etwas tiefer im Bereich der Kabeltassen. Die Alarme werden direkt an die Leitstelle Tirol in Innsbruck weitergeleitet, von dort erfolgt die Alarmierung der Feuerwehren.
2007 wurde dieser Trakt generalsaniert und auf den letzten Stand der Technik gebracht. Rund um das Gebäude führt die asphaltierte Straße, die ausreichend Aufstellmöglichkeiten für die Feuerwehr bietet.
VOLLBRAND AM DACH NACH BRANDMELDEALARM
Um 20.27 Uhr wird die Feuerwehr Schwaz zu einem Brandmeldealarm zur besagten Adresse gerufen. Das ist nichts Ungewöhnliches – jährlich kommt es zu mehreren Alarmen, die sich meistens als Fehl- oder Täuschungsalarme herausstellen. Das Wetter ist kühl, ca. 5 Grad, leichter Nieselregen. Bereits bei Eintreffen der ersten Feuerwehrkräfte stehen weite Teile des südlichen Dachstuhles in Vollbrand.
Sofort werden die umliegenden Feuerwehren Stans, Vomp und Pill, die Betriebsfeuerwehr Tyrolit sowie drei weitere Hubrettungsfahrzeuge aus Eben am Achensee, Wattens und Hall alarmiert. Die Wasserversorgung wurde primär über das städtische Hydrantennetz sichergestellt. Im Laufe des Einsatzes wurde von der Feuerwehr Buch eine Wasserversorgung vom Inn aufgebaut, die aber nicht mehr zum Einsatz kam. Die Mitglieder der Bezirkszentrale aus verschiedenen Feuerwehren werden alarmiert, sie übernehmen die Lageführung. Auch der Bezirksfeuerwehrkommandant, sein Stellvertreter sowie Bezirks- und Landesfeuerwehrinspektor finden sich am Brandort ein.
VIER DREHLEITERN UND 30 ATEMSCHUTZTRUPPS IM EINSATZ
Schließlich stehen elf Feuerwehren mit vier Drehleitern und über 297 Mann unter dem Kommando von Abschnitts- und Stadtkommandant Hilmar Baumann im Einsatz. Es werden mehrere Einsatzabschnitte gebildet: EA Ost, EA West, EA Evakuierung, EA Innenangriff/Atemschutz. Je zwei Drehleitern werden östlich und westlich des Brandobjektes aufgestellt. Über 30 Atemschutztrupps kommen zum Einsatz, um den Brand im Innen- und Außenangriff unter Kontrolle zu bringen. Von der Atemschutzsammelstelle des Abrollbehälters Atemschutz wird ein Pendelverkehr ins Gerätehaus organisiert, um die verbrauchten Pressluftflaschen sofort wieder aufzufüllen. Insgesamt 106 Stück 300 bar und 14 Stück 200 bar Pressluftflaschen wurden befüllt.
IMMER WIEDER DURCHZÜNDUNGEN
Das Dach brennt vorwiegend im Giebelbereich ab, immer wieder kommt es zu Durchzündungen. Die Stadtwerke Schwaz wurden beauftragt, das Gebäude stromlos zu machen, um eine gefahrlose Brandbekämpfung im Innenangriff zu ermöglichen. Nachdem der Innenangriff Wirkung gezeigt hatte, stellten die Drehleitern auf handgeführte Strahlrohre um und begannen mit dem Abdecken des Daches, um an die Glutnester heranzukommen. Probleme bereitete jedoch die Brandausbreitung in den Zimmern. Sämtliche Wände und Decken des 3. Stockes mussten von Hand geöffnet werden, um auch die letzten Glutnester zu löschen.
Um in der Erstphase rasch Zugang zu den versteckten Brandherden zu erhalten, kamen auch zwei Fognail-Sets zum Einsatz, die sich hervorragend bewährten. Schon eine kleine Öffnung genügte, um den Brand mittels Sprühstrahl aus dem Löschnagel bekämpfen zu können. Brand unter Kontrolle konnte gegen 21.30 gegeben werden, die Nachlöscharbeiten dauerten bis in den frühen Morgen, endgültig Brandaus gab es um 04.00 Uhr. Die Brandwache rückte erst gegen 14.00 Uhr von der Einsatzstelle ab.
ZWEI VERLETZTE FEUERWEHRLEUTE
Zwei Feuerwehrmänner wurden im Zuge der Löscharbeiten
verletzt und vom Rettungsdienst ins Krankenhaus Schwaz zur weiteren Abklärung gebracht. Während eine Schulterverletzung ambulant versorgt wurde, musste der Feuerwehrmann mit Kreislaufproblemen zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben; er konnte aber am nächsten Tag bereits wieder entlassen
werden. Mehrere Feuerwehrmänner wurden auf eine Kohlenmonoxid– Vergiftung hin untersucht. Das Löschwasser wurde mit Wassersaugern in den darunterliegenden Stockwerken so gut wie möglich aufgenommen und aus dem Gebäude geleitet.
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„DIE EVAKUIERUNG ALTER MENSCHEN BRAUCHT ZEIT. JEDE SCHLAUCHQUE- RUNG WURDE ZUM HINDERNISS.“
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RESERVISTEN ÜBERNAHMEN WICHTIGEN LOGISTIKPART
Die Reservisten der Freiw. Feuerwehr Schwaz kümmerten sich in der Kantine der Schwazer Feuerwehr um die Verpflegung. Sie organisierten Brot, Wurst, Tee und Getränke und brachten es an die Einsatzstelle, bewirteten die kommenden und gehenden Einsatzkräfte im Gerätehaus. Die 12 Senioren, teils begleitet von den Ehefrauen, übernahmen damit einen wichtigen Part der Einsatzlogistik.
EVAKUKIERUNG DES GEBÄUDES
Die oberste Priorität lag in der Evakuierung der Bewohner. Insgesamt waren in der Brandnacht 51 Bewohner, acht geist- liche Schwestern des vinzentinischen Ordens sowie zwei Pflegerinnen im Gebäude. Feuerwehreinsatzleiter Hilmar Baumann: „Bei einem kleineren Brandgeschehen würden Patienten zuerst horizontal – also innerhalb der Brandabschnitte – verlegt. Wenn das nicht mehr möglich ist, spricht man von einer vertikalen Evakuierung – also ein oder zwei Stockwerke tiefer. Im vorliegenden Fall war rasch klar, dass die Bewohner nicht im Gebäude verbleiben konnten.“ Gemeinsam mit den zwei anwesenden Pflegerinnen wurde begonnen, die Bewohner der oberen Stockwerke, beginnend im 3. OG, ins Erdgeschoß zu verlegen. Die zwei Frauen leisteten ganze Arbeit – beim Eintreffen der Feuerwehr waren die sieben Bewohner des vom Brand betroffenen Traktes bereits im Foyer im 3. OG versammelt. Als Sammelpunkt für alle Bewohner wurde die Kapelle im Erdgeschoß verwendet.
Dazu wurden die nachrückenden Feuerwehren in Vier-Mann- Teams eingeteilt, die dann jeweils eine Person hinuntertrugen. Gehfähige Bewohner wurden je nach Zustand mit einer oder zwei Einsatzkräften über die Stiege nach unten geleitet. Dabei spießte es sich immer wieder im einzigen Stiegenhaus des Gebäudes. Während die Patienten nach unten getragen wurden, mussten zugleich die Feuerwehrmänner mit Schläuchen und Ausrüstung für die Brandbekämpfung nach oben, wodurch es sich im Stiegenhaus staute, was die Räumung verlangsamte.
Nach 40 Minuten waren alle Patienten im Erdgeschoß, von dort erfolgte die Verlegung in den nur 150 Meter entfernten Turnsaal der Neuen Mittelschule. Um 21.47 Uhr – 80 Minuten nach der ersten Alarmierung – wurde der letzte Bewohner aus dem Gebäude gebracht. Der letzte Abtransport ins Krankenhaus Schwaz erfolgte um 00:15 Uhr
VIEL ARBEIT FÜR DEN RETTUNGSDIENST
Primär wird zu einem Brandmeldealarm kein Rettungsdienst
mitalarmiert, erst im Zuge der Nachalarmierung bei der Feu- erwehr wurde auch beim Roten Kreuz Alarm ausgelöst. Ein- satzleiter Thomas Gurschler: „Bereits kurz nach Eintreffen am Einsatzort habe ich Alarm für die Sondereinsatzgruppe Schwaz auslösen lassen. Der Brand hatte sich bereits so weit ausgebreitet, dass eine Evakuierung der Bewohner unmittelbar durchgeführt werden musste. Die Angestellten des Heimes und die Feuerwehr leisteten hier wertvolle Hilfe; gemeinsam wurden alle Bewohner in die Turnhalle verlegt.“
Die Sondereinsatzgruppe besteht aus Sanitäter und Notärzten der Ortsstelle Schwaz. 50 Sanitäter und acht Notärzte mit 11 Fahrzeugen standen binnen kürzester Zeit bereit, um die Bewohner zu evakuieren, zu erfassen und in der Sporthalle zu betreuen. Insgesamt wurden hier 75 Personen (Bewohner, Schwestern, Angestellte und Einsatzkräfte) betreut und versorgt.
Bezirksrettungskommandant Günther Schwemberger: „Es wurden alle 51 anwesenden Bewohner des Heimes evakuiert und vorübergehend in der Turnhalle der
Hauptschule untergebracht, welche sich 150 Meter neben dem Altenheim befindet. Im Turnsaal wurden Feldbetten für alle Bewohner vorbereitet. Sanitäter, Ärzte und Mitarbeiter der Krisenintervention standen bereit und kümmerten sich um die Versorgung. Auch eine Hotline für Angehörige wurde binnen kürzester Zeit eingerichtet. Die Bewohner wurden von Angehörigen abgeholt oder ins Bezirkskrankenhaus Schwaz verbracht, welches genügend Betten für die vorübergehende Aufnahme der Bewohner zur Verfügung stellen konnte.” Alle Bewohner und Betroffene wurden mit Hilfe
eines Patienten-Leit-Systems (PLS) erfasst; damit war jede Person registriert und eine lückenlose Dokumentation konnte gewährleistet werden.
FEUERWEHR HILFT GEWOHNTEN ZUSTAND WIEDERHERZUSTELLEN
Am Samstag und am Sonntag (Einsatztag war der Freitag) wurden insgesamt 30 Heimbewohner vom Krankenhaus Schwaz in das Wohnheim Pradl transferiert – mit bis zu neun Fahrzeugen und 21 ehrenamtlichen Sanitätern. Ein Bewohner wurde in das Franziskusheim Fügen gebracht. Mehrere Feuerwehren aus dem Bezirk (Schwaz, Ried, Jenbach, Tyrolit, Vomp) stellten Räumtrupps, die gemeinsam mit dem Pflegepersonal die Habseligkeiten der Patienten verpackten. Die FF Schwaz und Weerberg transportierten dann diese Gegenstände in die neue Unterkunft. Somit konnte der gewohnte Zustand für die Betroffenen des Brandereignisses rasch wiederhergestellt werden. „Die Zusammenarbeit der Organisationen mit der Stadt Schwaz, den Heimleitungen, dem Krankenhaus und allen weiteren Beteiligten funktionierte ausgezeichnet. Gemeinsam wurden die notwendigen Schritte geplant und alle Aufgaben mit Hilfe vieler Freiwilliger bewältigt”, so Bezirksrettungskommandant Günther Schwemberger
Die Nachbarschaftshilfe funktionierte hervorragend. Zahlreiche Anrainer halfen vor allem bei der Verlegung der Patienten vom Altersheim in die Turnhalle, gaben Getränke aus und halfen, wo Not an Mann oder Frau war.
DIE GEMEINDEEINSATZLEITUNG
Jede Gemeinde in Tirol ist verpflichtet, eine Gemeindeein- satzleitung (GEL) für GroßschadensfÄlle einzurichten. Die Mitglieder in Schwaz kommen aus dem Stadtamt (Bürger- meister, Stadtamtsdirektor), Bauamt (Bauamtsleiter, Bau- techniker), dem Bauhof (Bauhofleitung) sowie der Verwaltung und werden offiziell vereidigt. Wie bei der Feuerwehr werden die Stabsfunktionen S1-S6 besetzt. Geleitet wird sie vom Bürgermeister. „In Schwaz gibt es die Vereinbarung, dass sich bei Sirenenalarm der Feuerwehr automatisch die GEL im Gerätehaus einfindet. Damit ist sichergestellt, dass behördliche Aufgaben bei Bedarf sofort in Angriff genommen werden können“, so Bürgermeister Dr. Hans Lintner. „Da die Sirene nur bei Groß- schadensfällen ausgelöst wird, hat sich diese Vorgangsweise schon viele Male bewährt.“
„Im konkreten Fall war es unsere Aufgabe, die Unterbringung der Bewohner sowohl kurz- als auch längerfristig zu organisieren. Dazu wurden die Direktoren und der Hausmeister der neuen Mittelschule verständigt, damit man Zugang zum Turnsaal bekommt. Der Zufall wollte es, dass in der Schule gerade der Elternsprechtag zu Ende ging, beide Direktoren waren vor Ort.
In einem nächsten Schritt wurde im Krankenhaus Schwaz an- gefragt, wie viele Bewohner zur Übernachtung – sie waren ja in diesem Sinne nicht krank, sondern quasi obdachlos – unter- gebracht werden könnten“, führt Bürgermeister Lintner aus.
Die Antwort des diensthabenden Oberarztes, man könne alle Bewohner aufnehmen, überraschte auch die Einsatzleitung, weil die Auslastung des Krankenhauses generell sehr hoch ist. Immerhin ist es für ein Krankenhaus mit reduzierter Nachtbe- setzung eine logistische Herausforderung, müssen doch alle Patienten genauso erfasst und verteilt werden.
„Dann galt es für uns, gemeinsam mit der Heimleitung eine dauerhafte Lösung zu finden, weil absehbar war, dass der be- troffene Trakt aufgrund von Feuer und Wasser für längere Zeit nicht benutzbar sein würde. Dabei wurden von den Wohnhei- men der Umgebung zahlreiche Angebote gemacht. Schluss- endlich kam aus Innsbruck ein sehr erfreuliches Angebot: In einem Wohnheim der Innsbrucker Sozialen Dienste (ISD) war ein Stockwerk komplett leer, aber bezugsbereit. Dort konnten 30 Bewohner samt Personal aufgenommen werden“, so der Bürgermeister. Die restlichen Bewohner wurden in die Heime der Umgebung verteilt.
FRAGE DER STATIK
Zentrale Fragen waren die der Statik des betroffenen Gebäu- deteiles sowie der Sicherung des zerstörten Dachstuhles vor weiterem Wassereintritt. Das Dach sowie das dritte OG wurden am Samstagvormittag vom Statiker gesperrt, die unteren
Stockwerke zur Räumung freigegeben. Auch gelang es bereits am nächsten Morgen die Zimmerer Haim/Terfens und Wegscheider/Pill sowie die Spenglerei Schuster/Vomp für die provisorische Abdichtung des Daches zu gewinnen. Unter- stützung erhielten sie dabei von der Firma Lkw Mauracher/ Pill, die den größten Kran mit einer Reichweite von über 50 Metern vor Ort hatte. Damit war es bis Samstagabend möglich, das Dach mit Planen und Hilfskonstruktionen soweit abzudecken, dass der erwartete Regen kein Problem mehr darstellte.
Als Brandursache konnte von der Polizei relativ rasch ein Kurzschluss in der Zwischendecke eines Bades festgestellt wer- den. Dieser setzte die Dachkonstruktion in Brand. Der Dachboden war zwar an die BMA angeschlossen, die Melder hingen aber nicht ganz am Giebel, sondern etwas tiefer im Bereich der Kabeltassen. Daher sprangen sie auch nicht gleich an. Im Nachhinein konnte auch nicht mehr festgestellt werden, welcher Melder den Alarm auslöste, nur welche Linie.