WENN DIE
ENGEL TANZEN
Wenn die Engel tanzen
TEXT & FOTOS HANNO MEIER / HAIX
Brenzlig wird’s, wenn die Engel tanzen. „Dancing Angels“ lautet der englische Fachbegriff, wenn Flammen aus dem Rauchgas züngeln, bevor es zum „Knall“, zum Rollover oder Flashover kommt. Wie man den realen Einsatz meistert, lernen und trainieren künftige Einsatz-Profis in Feuerwehrausbildungszentren wie etwa FEUREX.
Ich erinnere mich an einen Kellerbrand, aus dem sich schon zwei andere Trupps wieder zurückgezogen hatten, bevor wir nachalarmiert wurden“, erzählt Josef Ottinger von einem kürzlich stattgefundenem Einsatzszenario: Ein Hobbyraum, komplett mit Holz ausgetäfelt, Zwischenboden aus Holz, dazu noch diverses leicht Brennbares gelagert. „Da wurde vorher mit Spiritus hantiert und dann geflext. Man kann sich vorstellen, was dann passierte. Sauerstoff war nicht mehr viel da, als die Feuerwehr mit dem Innenangriff startete. Aber immer wieder züngelten helle Flammen aus dem Rauch. „Höchste Alarmstufe“ für die Einsatzkräfte.
FEUREX – Ausbildungszentrum in Oberhausen
Für Feuerwehrleute im Einsatz sind das die Horrorszenarien. Flashover, Rollover, Backdraft – das sind keine Erfindungen von Hollywood-Autoren. Viele tausende Feuerwehrfrauen und -männer lassen sich bei FEUREX, dem Ausbildungszentrum für Einsatzkräfte im bayerischen Oberhausen nahe Ingolstadt aus- und weiterbilden. Die Rauchgasdurchzündungsanlage (RDA) zählt dabei mit zum Härtesten, was „Feuerwehr-Azubis“ in ihrer sechsmonatigen Intensivschulung erwartet. Und die Szenarien haben mehr als Kinoqualitäten.
Man muss wissen, was man tut
Wenn Materialien durch starkes Erhitzen Gase abgeben und sich diese sogenannten Pyrolyse- oder Rauchgase im Raum sammeln, sollte man ein paar Dinge wissen. Erstens: Sie sind brennbar. Zweitens: Sie benötigen zum Entflammen eine gewisse Zündtemperatur. Und drittens: Erst eine plötzliche Sauerstoffzufuhr macht die Mixtur so explosiv. „Man muss in solchen Situationen als Feuerwehrmann oder -frau genau wissen, was man tut“, lehrt Josef Ottinger seine Schüler: Denn wenn es zündet, dann unter Umständen mit fatalen Folgen.
ERFAHRUNG SAMMELN
Bei FEUREX lernen die Teilnehmer, wie in der jeweiligen Situation vorgegangen werden muss. Eine Durchzündung aufgrund rascher Sauerstoffzufuhr gilt es zu vermeiden. Passiert es doch, wissen die Teilnehmer, wie sie sich verhalten müssen
Das Material des Mobiliars ist von großer Bedeutung
Wie wichtig Umgebung und Material für die Einschätzung der Situation sind, zeigt ein Experiment, das ein mit Holzmöbel ausgestattetes Zimmer mit dem Brand eines mit modernen Materialien wie Kunst- und Verbundstoffen möblierten Zimmers vergleicht. Der Flashover im modernen Zimmer zündete bereits nach gut 3 Minuten. Im „altgediegenen Zimmer“ dauerte es eine halbe Stunde, bis der ganze Raum in Flammen stand!
Entzündet sich „nur“ die Rauchschicht, spricht man von einem Rollover. Nur der Rauch selbst fackelt dann ab. Wenn die Rauchschicht erst einmal eine Temperatur von ca. 500 °C erreicht und alle Gegenstände im Raum so stark erhitzt, dass sie auf einmal sehr viel brennbares Pyrolysegas abgeben, steigt die Konzentration brennbarer Gase im gesamten Raum gleichzeitig bzw. schlagartig an und auch das Inventar erreicht seinen Zündpunkt. Bei entsprechender Sauerstoffzufuhr, durch das Öffnen eines Fensters zum Beispiel, entzünden sich Gase und Möbel spontan gleichzeitig. Binnen Sekundenbruchteilen steht der ganze Raum in Flammen. Dieses Übergreifen des Feuers auf den gesamten Raum nennt man Flashover.
„Wenn jetzt Sauerstoff dazu kommt, macht es Flupp…“
Die Feuerwehrleute machen bei FEUREX Erfahrung mit dem gesamten Szenario. „Vom Anbrennen, dem fast Erlöschen mangels Luft bis zum Durchzünden bei plötzlicher Sauerstoffzufuhr“, erklärt Ottinger und stellt eine Holzpalette in den Brandraum. Nach kurzer Zeit fängt sie an zu rauchen. Pyrolysegase entwickeln sich und gasen aus. „Wenn jetzt Sauerstoff dazu kommt, macht es plötzlich Flupp und es kommt zum schlagartigen Aufflammen des Feuers. Die Palette beginnt zu brennen, ohne je direkt mit dem offenen Feuer in Berührung zu kommen“, so der Lehrgangskoordinator. Da kommen einmal kurz Rauchflammen und dann geht das schlagartig durch.
Gute Laune ist wichtig für die Motivation vor der Heißausbildung. Danach sind die Teilnehmer körperlich erledigt.
Ist die Gefahr akut, muss jeder Handgriff gut überlegt sein
Im Stahlcontainer erleben Lehrgangsteilnehmer, was Wärme physisch und psychisch mit ihrem Körper macht. „Sie lernen auch zu erkennen, wann sie einen Brandraum verlassen müssen, um selbst keine Verbrennungen zu erleiden“, sagt der Heißausbilder. Bei 160 bis 180 °C in Türklinkenhöhe unterbrechen die Kursteilnehmer das Training im holzbefeuerten Stahlcontainer. Bis dahin vergehen nicht mehr als etwa drei bis fünf Minuten. Bei einem realen Zimmerbrand müssen sie bei solchen Temperaturen Menschen suchen, sie retten und gleichzeitig den Brand bekämpfen. „Da ist es überlebenswichtig, die Signale zu erkennen, bevor es richtig losgeht“, sagt Ottinger.
Wenn sich genügend heiße Gase unter der Zimmerdecke sammeln, aber nicht oder noch nicht genug Sauerstoff im Raum ist für eine Durchzündung, dann züngeln an der Grenze zwischen Rauchschicht und Luft kleine Flammen hervor. Das geschieht genau dort, wo noch ein wenig Restsauerstoff die Luft anreichert. Man nennt dieses Flammenspiel „Dancing Angels“, tanzende Engel. Der Profi im Einsatz weiß, wenn die Engel tanzen, ist die Gefahr einer Rauchdurchzündung akut und jeder Handgriff muss sitzen.
„Den Keller im Einfamilienhaus konnten wir schließlich löschen“, schließt Ottinger die Erinnerungen an seinen damaligen Einsatz ab. „Aber nur, weil wir durch Schulungen und Erfahrung genau wussten, was in jeder einzelnen der Situationen zu tun war.“
MATERIALIEN EINSCHÄTZEN
Einen großen Einfluss haben die Materialien von Zimmereinrichtungen. Moderne Materialien wie Kunst- oder Verbundstoff reagieren kritischer als Vollholzmöbel. Ein Flashover in einem modernen Zimmer zündet wesentlich früher.