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FATALE BRÄNDE

IM DUETT

Fatale Brände im Duett

TEXT HERMANN KOLLINGER

FOTOS PICTUREDESK.COM

Innerhalb von nur vier Tagen ereigneten sich im Jänner in den USA zwei folgenschwere Brände in Wohnhäusern. 

Das Zündeln am Christbaum durch ein Kind riss in Philadelphia 13 Menschen in den Tod. Vier Tage später endete in der Bronx von New York ein Feuer mit 17 Leichen.

Eine Sache haben die beiden Fällen neben den Toten noch gemeinsam: Rauchmelder. Die einen wurden nach der Reihe außer Betrieb gesetzt, andere wiederum nicht ernst genommen.

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Auf allen Etagen fanden die Einsatzkräfte Tote im Treppenhaus.«
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Die Städte Philadelphia und New York sorgten Anfang Jänner 2022 wegen Wohnhausbränden für traurige Nachrichten. Den Anfang machte die Stadt Philadelphia am frühen Morgen des 5. Jänner. Die Feuerwehr traf dort um 06.40 Uhr Ortszeit zu einem Wohnhausfeuer ein, zu dem sie kurz zuvor alarmiert worden war.

5-Jähriger zündelte

Wie sich später herausstellte, hat ein 5-Jähriger den Ermittlern erzählt, dass er aus Versehen den Weihnachtsbaum in Brand gesetzt hatte, während er mit einem Feuerzeug gespielt hat. Als Ersthelfer vor Sonnenaufgang in dem dreistöckigen Reihenhaus eintrafen, hatte der junge Mann es aus dem Gebäude geschafft. Dann erzählte er einem Nachbarn – und später einem Sanitäter, einem Feuerwehrmann und Krankenhauspersonal – wie das Feuer ausgebrochen und dass seine Mutter gestorben war. Wie es der Bub selbst ins Freie geschafft hat und warum das bis auf einer Person keinem der anderen Mitglieder seiner Familie gelungen ist, werden wohl erst die weiteren Ermittlungen ergeben. (Alle außer dem 5-Jährigen waren in den Schlafzimmern im dritten Stock. 12 von ihnen starben, darunter drei Schwestern und neun ihrer Söhne und Töchter. Zwei Personen, darunter der 5-Jährige und ein Mann, der aus einem Fenster im dritten Stock geklettert war, wurden mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert). Bei all dem persönlichen Leid wird ihm zumindest eine strafrechtliche Anklage erspart bleiben, denn Kinder unter 10 Jahren können in Pennsylvania nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Nach 50 Minuten unter Kontrolle

Nach ihrem Eintreffen machten sich die Feuerwehrleute im gesamten Gebäude auf die Suche nach zu rettenden Personen, während sie gleichzeitig bei starkem Rauch und Hitze gegen die Flammen kämpften. Ihnen gelang es auch noch, ein Kind aus dem Gebäude zu retten – es überlebte aber nicht. Nach 50 Minuten war das Feuer weitgehend unter Kontrolle. Die schwierigste Aufgabe sollte den Feuerwehrleuten aber noch bevorstehen. Ihr Job war es dann, 13 Todesopfer ins Freie zu bringen. Sieben von ihnen waren Kinder.

Nicht jede der geretteten Personen überlebte den Einsatz. Besonders belastend ist es, wenn Kinder ums Leben kommen.

Rauchmelder funktionierten nicht

Der durch den Jungen entstandene Brand konnte sich rasend schnell ausbreiten. Sowohl das Feuer als auch allem voran der Rauch breiteten sich rasant in der Wohnung aus. „Das Feuer ist vermutlich in der offenen Küche im mittleren Stockwerk ausgebrochen und schnell die Treppe hinaufgewandert“, berichtete die Feuerwehr. Vor allem die Rauchausbreitung war in weiterer Folge enorm. Mehrere batteriebetriebene Rauchmelder im Gebäude für sozial schwächere Menschen hätten für eine rasche Warnung der Bewohner des Hauses im Stadtteil Fairmount – zwei Familien mit insgesamt 26 Personen – sorgen müssen, doch keiner soll funktioniert haben. Die Feuerwehr sagte nach dem Einsatz, dass die Rauchmelder zuletzt im Jahr 2020 inspiziert worden waren, während das städtische Wohnbaumamt auf eine Inspektion im Jahr 2021 hingewiesen hat. Der stellvertretende Leiter der Feuerwehr, Dennis Merrigan, lehnte es ab, die Ursache zu diskutieren, sagte jedoch, dass das Büro des Städtischen Feuerwehrmarschalls eine „sehr komplexe” Untersuchung durchführt, bei der Laserscanner verwendet werden, um 3D-Renderings des Inneren der Gebäudestruktur zu erstellen. Das oberste Stockwerk wurde von Rauch, Feuer und Löschwasser schwer in Mitleidenschaft gezogen. 

Nach und nach kamen jedoch detaillierte Erkenntnisse auf den Tisch, was die Rauchmelder betrifft. So schrieb die New York Times zuletzt: Die Ermittler haben nach dem Brand sieben Rauchmelder im Gebäude gefunden.

Vier wurden in Schubladen gefunden; einer auf dem Boden, seine Batterie entfernt; ein anderer wurde an einer Decke befestigt, seine Batterie ebenfalls entfernt. Der siebte Alarm, der sich in einem von den beiden Einheiten gemeinsam genutzten Keller befand, war aktiviert worden, aber seine Alarme kamen zu spät, wenn man bedenkt, wie schnell sich das Feuer in den oberen Stockwerken ausbreitete.

Schlimmstes Erlebnis

„So viele Kinder zu verlieren ist einfach verheerend. Behaltet diese Babys in euren Gebeten”, sagte der Bürgermeister von Philadelphia, Jim Kenney. Der stellvertretende Feuerwehrkommissar von Philadelphia, Craig Murphy, fügte hinzu: „Es war schrecklich. Ich bin jetzt seit 35 Jahren dabei und dies ist wahrscheinlich einer der schlimmsten Brände, bei dem ich je war.”

Bei dem Feuer handelt es sich nach Angaben der National Fire Protection Association, einer gemeinnützigen Sicherheitsgruppe, um das tödlichste Feuer in einem US-Wohnhaus seit 2017. Damals starben 13 Menschen in einer Wohnung im New Yorker Stadtteil Bronx. Das Feuer war ausgebrochen, nachdem ein 3-jähriger Junge mit Herdplatten gespielt hatte. Laut der Organisation sind Brände mit Weihnachtsbäumen potenziell tödlicher als andere Hausbrände. Weihnachtsbäume sind in den USA die Ursache für etwa 160 Brände pro Jahr, die jährlich zwei Todesfälle und Sachschäden in Höhe von 10 Millionen US-Dollar verursachen.

Überbelegung des Hauses?

Unter den Todesopfern befanden sich wie bereits erwähnt auch drei Schwestern und mindestens neun ihrer Kinder. Den Vorwurf einer möglichen Überbelegung wies man zurück. Vor zehn Jahren seien sechs Personen in die obere der beiden Wohnungen des Reihenhauses gezogen. Seitdem habe die Familie weitere acht Kinder bekommen. „Wir setzen Leute nicht auf die Straße, nur weil sie Kinder bekommen“, hieß es.

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Wahrscheinlich stehen fehlerhafte Rauchmelder im Mittelpunkt der Ermittlungen.«
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Nach vier Tagen das nächste Inferno

Amerika war von dem fatalen Brand immer noch schockiert, als die nächste Meldung über ein verheerendes Feuer über den Globus ging: Die Bronx von New York war Schauplatz einer weiteren Brandtragödie, die in einem 19-stöckigen Hochhaus 17 Menschen aus dem Leben riss. Wieder waren mit acht Toten viele Kinder beteiligt (darunter ein 2-jähriger Junge, zwei 5-jährige Mädchen und ein 6-jähriger Junge).

Offene Wohnungstür verraucht Gebäude

Schauplatz des gegen 11 Uhr vormittags ausgebrochenen Brandes war ein 19-stöckiges Hochhaus in der 333 East 181st Street im Tremont-Abschnitt. Den Ermittlungen zufolge dürfte ein elektrischer Defekt an einem Heizgerät im Schlafzimmer Ausgangspunkt gewesen sein. Mehrere dieser Geräte in der Wohnung waren bereits über einige Tage in Betrieb. Der Rauch fraß sich in weiterer Folge in den Wohnbereich vor. Dann der fatale Fehler der Flüchtenden: Sie ließen die Wohnungstür offen, was zu einer massiven Rauchausbreitung im gesamten Stiegenhaus führte. „Nicht nur die Wohnungstür, sondern auch die Tür vom Treppenhaus in den 15. Stock blieb offen, obwohl diese sich eigentlich schließen sollte“, erzählt ein Feuerwehrbeamter über die Erkenntnisse.

5. Alarm mit 200 Kräften

Aufgrund des vorliegenden Schadensszenarios wurde von den anrückenden Einheiten der New Yorker Feuerwehr nach und nach der Alarm ausgedehnt. Schlussendlich waren mit dem 5. Alarm an die 200 Feuerwehrleute am Schauplatz. Die ersten Einheiten starteten unverzüglich mit dem Versuch, Menschen aus dem 50 Jahre alten Gebäude zu holen, das 120 Wohneinheiten zählt. „Auch als der Luftvorrat in den Flaschen schon zu Ende ging, gaben viele nicht auf!“ 

Tote auf allen Etagen des Treppenhauses

Die Feuerwehrleute fanden im Treppenhaus Tote auf allen Etagen. Alle waren – wie sich später herausstellte – im Rauch erstickt. Und das wegen zwei Türen, die offen gestanden waren.

Sandra Crayton erzählte in einem Interview, sie sei um ihr Leben gerannt, als sie sah, wie sich der Flur mit schwarzem Rauch füllte und Leute schrien: „Geh raus! Raus!”. Die 61-Jährige tastete sich die dunkle Treppe hinunter und hielt ihren Hund fest. Der dicke Rauch bedeutete, dass sie wegen ihrer Schreie nichts sehen, aber andere Mieter in der Nähe hören konnte. Ihr Hund Mokka rutschte ihr aus dem Arm und wurde später tot aufgefunden. „Ich rannte einfach die Stufen hinunter so schnell ich konnte, aber die Leute fielen über mich und schrien.“

Der Rauch breitete sich so schnell aus, dass für viele Bewohner jede Hilfe zu spät kam. Dabei trafen Einsatzkräfte schon drei Minuten nach dem ersten Notruf ein. Überlebende, Nachbarn und Einsatzkräfte mussten psychologisch betreut werden.

„Dachte anfangs an Fehlalarm“

Ein anderer Bewohner, Luis Rosa, dachte zunächst, es sei ein falscher Alarm, aber er und seine Mutter begannen sich Sorgen zu machen, nachdem eine Benachrichtigung auf seinem Telefon aufgetaucht war. Der Rauch hatte begonnen, in seine Wohnung im 13. Stock vorzudringen. Er konnte dann die Sirenen in der Ferne hören. Er öffnete die Haustür, aber der Rauch war zu dicht, um zu entkommen. „Als ich die Tür öffnete, konnte ich nicht einmal wirklich den Flur hinuntersehen. Also sagte ich, OK, wir können nicht die Treppe hinunterlaufen, denn wenn wir die Treppe hinunterlaufen, werden wir am Ende ersticken. Alles, was wir tun konnten, war warten.” Eine Entscheidung, die ihm das Leben gerettet hat.

 

„Rauchmelder nicht beachtet“

Andere Bewohner des Gebäudes haben angegeben, dass die Feueralarme im Gebäude oft nicht funktionierten. Und als sie an dem Sonntagmorgen ertönten, sagte Daisy Mitchell gegenüber CNN, habe sie „es nicht beachtet“. Aber dann begann Mitchells Ehemann in ihrer Wohnung im 10. Stock Rauch zu riechen und sie stießen tatsächlich auf dicken Rauch, als sie Nachschau hielten. Karen Dejesus wohnte auf der gleichen Etage wie die Wohnung, die Feuer gefangen hat und erzählte, die Flammen seien in ihre Wohnung eingedrungen. Feuerwehrleute hätten ihre Tür aufgebrochen, um sie, ihre Enkelin und ihren Sohn zu retten. Sie mussten aus einem Fenster klettern, um den Flammen zu entkommen. Auch sie gab an, dass oft Feueralarme im Gebäude ausgelöst wurden. „So viele von uns waren daran gewöhnt, diesen Feueralarm losgehen zu hören, also war es wie eine zweite Natur für uns“, sagte sie. „Erst als ich den Rauch durch die Tür kommen sah, erkannte ich, dass es ein echtes Feuer war und ich hörte Leute ‚Hilfe, Hilfe, Hilfe‘ schreien.“

 

Einer der schlimmsten Brände von New York

„Dies wird einer der schlimmsten Brände sein, die wir hier in der Neuzeit in der Stadt New York erlebt haben”, sagte der Bürgermeister von New York City, Eric Adams, auf der darauffolgenden Pressekonferenz. „Wir haben heute 19 unserer Nachbarn verloren. Es ist eine Tragödie über alle Maßen. Betet mit mir für diejenigen, die wir verloren haben, besonders für die neun unschuldigen jungen Leben, die der Brand gekostet hat”, fügte er auf Twitter hinzu.

„Ich bin entsetzt über das verheerende Feuer in der Bronx heute”, sagte die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul auf Twitter. „Mein Herz ist bei den Lieben all derer, die wir auf tragische Weise verloren haben, bei allen Betroffenen und bei unseren heldenhaften FDNY-Feuerwehrleuten. Der gesamte Staat New York steht an der Seite von New York City.”

Eine Brandkatastrophe macht auch vor Kindern nicht halt. Dieser Einsatz belastete die Feuerwehrleute auch psychisch enorm.

Probleme mit Rauchmeldern und Türen

Aufzeichnungen zeigen, dass es mindestens vier hitzebedingte Beschwerden und eine Beschwerde über eine defekte selbstschließende Tür gab, die letztes Jahr an das Department of Housing Preservation and Development gemeldet wurden – die Agentur, die Verstöße gegen die Wohnbebauung in der Stadt überwacht. Einige Verstöße seien nach Angaben der Agentur behoben worden. Die Türen des Gebäudes und Berichte über fehlerhafte Rauchmelder stehen im Mittelpunkt der Untersuchung, sagte Brandkommissar Daniel Nigro. Die Baubedingungen werden auch ein Thema für eine neue Task Force von Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern sein, die sagen, dass sie sich auf Richtlinien und potenzielle Gesetze konzentrieren, die weitere Tragödien verhindern können.

„Es gibt zugrundeliegende Probleme, mit denen wir jeden Tag konfrontiert sind, mit Feuermeldern und Sprinkleranlagen und -ausgängen sowie Wärme und Warmwasser sowie Grundbedürfnissen, die jedem Bewohner und Mieter von New York City gewährleistet werden sollten“, sagte Gibson. Neben der Untersuchung der Durchsetzung der New Yorker Gesetze, die selbstschließende Türen vorschreiben, sagte Torres, die Gruppe werde auch untersuchen, ob die derzeitigen Mindestheizanforderungen ausreichend sind. Die Heizung des Bronx-Gebäudes schien zu funktionieren, sagte Torres, aber die Bewohner hatten immer noch das Bedürfnis, Raumheizungen zu verwenden, um sich warm zu halten.“

3-Milliarden-Dollar-Klage

Mieter und Verwandte der Opfer des Feuers reichten inzwischen eine Sammelklage gegen die derzeitigen und früheren Eigentümer des Gebäudes ein und forderten laut Gerichtsdokumenten Schadensersatz in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar. Die Stadt und verschiedene Einrichtungen wurden auch über eine separate Sammelklage informiert, in der 1 Milliarde US-Dollar Schadensersatz für angebliche Fahrlässigkeit bei der Durchsetzung von Bauvorschriften gefordert wurde.