FEUERKRISE
IN GRIECHENLAND
Feuerkrise in Griechenland
TEXT: HERMANN KOLLINGER
FOTOS YANNIS KOLESIDIS / EPA / ORESTIS PANAGIOTOU / PANTELIS SAITAS / ARIS MESSINIS / PICTUREDESK.COM
Griechenland ist und bleibt in aller Munde. Einerseits ist es die Finanzkrise, die das Urlaubsland immer wieder im Gespräch hält, andererseits werden es von vielen die Urlaubserinnerungen dieser Saison sein, welche an das Sonnenland erinnern. Hinzukommt dann auch noch eine sehr aktive Waldbrandsaison.
» Sie lassen uns im Feuer allein «
Feuerwehr warnte
„Zwischen Jänner und April 2015 hatten wir bereits 1.621 Waldbrände“, informiert die griechische Feuerwehr schon im Frühjahr in einer griechischen Zeitung. „Das ist ein Plus von 578 Feuern gegenüber desselben Zeitraumes im Vorjahr!“ Die Feuerwehr sollte dann mit ihrer Prognose Recht behalten, denn: Durch anhaltende Regenfälle im Winter, aber auch im späten Frühjahr wurde das Wachstum von Sträuchern und Gräsern begünstigt. Viele dieser Pflanzen trockneten dann in den Sommermonaten völlig aus. Verbunden mit den hohen Temperaturen wird dadurch die Ausbreitung eines ausgebrochenen Brandes wesentlich begünstigt.
Marode Ausrüstung
„Für eine effiziente Brandbekämpfung sind wir nicht wirklich gerüstet“, berichteten griechische Feuerwehren in der Zeitung „Efimerida ton Syntakton“. „Die griechische Feuerwehr verfügt über knapp 3.000 Fahrzeuge. Ein Drittel davon ist älter als 15 Jahre. Viele Löschfahrzeuge können jedoch wegen technischer Mängel oder gar wegen bürokratischer Hindernisse nicht eingesetzt werden“, so die Einsatzorganisation weiter in ihrem Bericht. Noch schlechter sieht den Recherchen der „Efimerida ton Syntakton“ zufolge die Situation bei den Löschflugzeugen aus. Lediglich drei von insgesamt acht der Maschinen des Typs Canadair CL415 seien einsatzbereit. Das gleiche gilt für lediglich 18 von insgesamt 30 Löschflugzeugen des Typs Pezetel. „Von den insgesamt 13 Maschinen des Typs Canadair CL-215 stehen nur sechs zur Verfügung. Diese Flugzeuge sind bereits seit über 40 Jahren im Einsatz“, so das bescheidene Resümee. Diese trockenen Fakten würden die Löscharbeiten noch schwieriger machen. Und so kam es dann auch im Juli.
Bewusste und unbewusste Zündler
Waldbrände sind in Griechenland nichts Außergewöhnliches. Sie erhalten aber meist dann die internationale Aufmerksamkeit, wenn sie in ihrer Dimension den „Standard“ überschreiten. Zuletzt auch im Jahr 2007, wo den Feuerstürmen auf dem Peleponnes und der Insel Euböa Dutzende Menschen zum Opfer gefallen und zigtausende Hektar Wald vernichtet worden sind. „Hitze von 40° C im Schatten, Winde bis zur Stärke 8 und lange anhaltende Trockeneinheit. Ein Mix, der diesem Sommer für ein ausbrechendes Feuer natürlich optimale Bedingungen bietet, wenn ein Funke fällt“, so ein Insider.
Und genau dieser fallende oder zündende Funke kam Berichten zufolge heuer teilweise bewusst durch Brandstiftung bzw. auch ungewollt. So nahm die griechische Polizei einen Landwirt fest. Die Behörden hatten den Verdacht, dass dessen defekter Traktor Funken sprühte und das zundertrockene Unterholz in Brand setzte. Im Fall des Waldbrandes bei Athen weiß man von zwei Imkern, welche Auslöser für ein großes Waldfeuer gewesen sein sollen. „Eigentlich wollten sie nur den Honig ihrer Bienen ernten und entfachten ein Feuer. Der entstehende Rauch sollte das Volk aus ihrem Stock treiben und so die Honigernte ermöglichen. Wegen der starken Winde geriet das Feuer jedoch außer Kontrolle“, berichtet die griechische Behörde. Rasch waren die Häuser der Stadtteile Kareas und Ilioupolis bedroht.
Kampf am Boden und aus der Luft
Mehr als 140 Feuerwehrleute rückten mit 80 Löschfahrzeugen und elf Spezialflugzeugen an, um die Brände in der Nähe der Hauptstadt zu bekämpfen (die Anzahl an Kräften ist im Vergleich zu den Ländern mit freiwilligen Feuerwehren eher bescheiden, wo ein Alarmstufe II oder III-Einsatz schon bei einem Bauernhofbrand mehr Mannschaften mobilisiert).
„Wir haben mit Eimern Wasser auf die Flammen geworfen, um sie einzudämmen“, berichtet ein Anrainer im Fernsehen. Wirklich geholfen hat das naturgemäß nicht. Aufgrund der brenzligen Situation musste die Feuerwehr ein Waisenhaus sowie ein Kloster evakuieren. „Die Flammen stehen nur noch wenige Hundert Meter vor den Wohngebieten. Derzeit steht eine Fläche von etwa einem Kilometer Breite und zwei Kilometern Länge in Flammen. Der Rauch ist kilometerweit zu sehen“, schilderte ein Reporter des Nachrichtensenders n-tv . „Die Flammen schlugen 30 Meter hoch“, berichtete eine der Geretteten. Helfer trugen die Gebeine des Heiligen Ephrem in einem Korb aus dem orthodoxen Kloster.
Ebenso in Athen konnten Tierfreunde Dutzende Hunde und andere Tiere im letzten Moment aus einem Tierheim retten. Tierschützer bedankten sich bei allen Autofahrern, die angehalten und Tiere in ihre Wagen geladen hatten, um sie in Sicherheit zu bringen. Dutzende Menschen wurden mit Atemwegsbeschwerden vorübergehend in Krankenhäusern behandelt. Die trockene Zahlenbilanz nur vom Waldfeuer bei Athen: 101 Gebäude völlig zerstört, darunter 65 Wohnhäuser. Weitere 143 Wohnhäuser wurden beschädigt. Auch mehrere öffentliche Gebäude und Kirchen wurden von den Flammen in Mitleidenschaft gezogen.
Flammenfronten bis zu 15 km Breite
Ein weiterer Waldbrand brach auf der östlichen Landzunge der Halbinsel Peloponnes bei der Ortschaft Neapolis aus. Zwei Dörfer mussten evakuiert werden, berichteten Bürgermeister der Region. Die Feuerwehr setzte in beiden Fällen starke Einheiten, Löschhubschrauber und Flugzeuge ein, um die Flammen zu stoppen. „Die Situation war höllisch“, sagte der Bürgermeister der Kleinstadt Monemvassia, Iraklis Trichilis, dem Fernsehsender Skaï. Ein 47-jähriger Polizist, der sich an den Löscharbeiten beteiligt hatte, erlag während der Flucht vor den Flammen einem Herzinfarkt. Die Feuerfront erreichte im weiteren Verlauf eine Breite von 15 Kilometern!
Oberstes Ziel: Wohngebiete vor dem Riesen-Feuer schützen!
Allein mit dem Feuer
Der Wille der Feuerwehr alleine reicht nicht. Zu wenig Personal, zu wenige Geräte bzw. zu viele Brände gehen nicht spurlos vorbei. „Wir rufen die Feuerwehr, sie kommen mit einem Wagen, spritzen ein paar Bäume ab, fahren wieder weg“, schimpft ein Mann aus dem Dorf Stamata, wo die Pinienwälder in der Nähe von Wohngebieten in Flammen aufgingen. „Ein paar Minuten später brennt es wieder und dann sind wir allein mit dem Feuer, wir müssen die Hauptarbeit machen. Zahlreiche Bewohner sprengen mit Gartenschläuchen ihre Hecken und Rasenflächen, um sie vor dem Übergreifen der Flammen zu bewahren. Andere entfernen mit Rechen Piniennadeln von den Dächern ihrer Häuser!“
Die 53-jährige Theofania Kassimati schilderte ihre Situation so: „Leute fuhren mit Lautsprechern rum und sagten, wir sollten wegfahren. Also haben wir ein paar Sachen und unseren kleinen Hund eingepackt und sind gegangen. Gestern wurde unser Haus von den Flammen verschont, aber heute ist das Feuer wieder da …“ Genaueres wusste sie zu dem Zeitpunkt nicht. Die Informationen aus den Brandgebieten waren spärlich. Auf den Zufahrtswegen zur Gefahrenzone hat die Polizei Straßensperren errichtet, um die zahllosen Schaulustigen aus Athen an der Weiterfahrt zu hindern. Die abgesperrten Straßen werden für die Einsatzfahrzeuge gebraucht, Schöpf- und Tankwagen der Feuerwehr fahren hin und her.
» Die ganze Situation war schlichtweg höllisch! «
Verzweifelt versuchten Bewohner ihr Hab und Gut vor den Flammen zu retten. Oft standen ihnen nur einfachste Mittel dafür zur Verfügung. Zu wenig Personal und zu wenige Gerätschaften führten allerdings oft zu einem schmerzhaften Verlust des eigenen Zuhauses.
Bis zu 30 Meter ragten die Flammen in die Höhe. Auch Urlauber beteiligten sich an den Löscharbeiten
Absturz, Beinahe-Absturz, Notlandung
„Der in Griechenland notwendige Sparkurs geht natürlich auch an der Feuerwehr nicht vorbei. Überaltertes oder fehlendes Gerät sind inzwischen zum Standard geworden“, bestätigen griechische Medienberichte die einleitend zitierten Bedenken der Feuerwehr. So war es erforderlich, auch aus dem Ausland Hilfe aus der Luft anzufordern. Mehrere moderne Löschflugzeuge kamen zum Einsatz. Aus Frankreich machten sich zwei fliegende Löscher und ein Aufklärungsflugzeug auf den Weg nach Griechenland, zwei weitere auch aus Spanien.
In einem anderen Bericht wurde das dramatische Manöver des Piloten eines Löschhubschraubers gezeigt, um einen Absturz abzuwenden. Der Helikopter wurde von starken Winden beim Versuch erfasst, Wasser in der Nähe einer von den Flammen bedrohten Tankstelle nahe der Stadt Neapolis auf der Halbinsel Peloponnes abzuwerfen. Er wurde vom Wind nach unten gedrückt und geriet ins Trudeln. In letzter Sekunde warf der Pilot die Wasserladung ab. Der Hubschrauber gewann wieder an Höhe und konnte vom Piloten stabilisiert werden. Ein anderes inländisches Löschflugzeug musste aufgrund eines technischen Problems notlanden. Die beiden Piloten kamen mit leichten Verletzungen davon. Tödlich hingegen endete der Absturz eines einmotorigen Löschflugzeuges auf der Insel Kephalonia: „Die Maschine kollidierte im Tiefflug mit einer Stromleitung und stürzte ab. Wir konnten dem 55-jährigen Piloten leider nicht mehr helfen“, bedauert die Feuerwehr den tragischen Zwischenfall.
Wut auf Regierung und fehlende Maßnahmen
Regierungschef Alexis Tsipras eilte zur Krisenzentrale des Zivilschutzes in Athen. Einmal mehr erging während der Heißphase der Waldbrände der Aufruf an die Bevölkerung, die – wegen der Finanzkrise ohnehin schon strapazierten – Nerven zu bewahren. Das Militär wurde zudem zur Unterstützung der Löscharbeiten durch die Feuerwehr an mehrere Brandherde beordert. Aber nicht nur das. In die bergigen und gefährdeten Regionen wurden Patrouillen entsandt, um weiteren Brandstiftungen entgegenzuhalten.
Kommunalpolitiker im Notstandsgebiet sagten, sie fühlten sich von der Regierung im Stich gelassen. Er habe ohne Erfolg um die Entsendung von Löschflugzeugen gebettelt, sagte der Marathoner Bürgermeister Spyros Zagaris im griechischen Fernsehen. „Wir haben nur zwei Löschfahrzeuge hier; drei Häuser brennen bereits, und wir können nur hilflos zusehen.“
» Ein Löschflugzeug stürzte im Tiefflug ab - der Pilot hatte keine Chance zu überleben. «
Die Umweltorganisation WWF warf der Regierung vor, sie habe keine Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen. „Es gibt keine Anzeichen, dass sich die Regierung in die richtige Richtung bewegt“, sagte der griechische WWF-Direktor Dimitris Karavellas. So habe der Staat nicht auf das Angebot von freiwilligen Feuerwehren zurückgegriffen und sei nicht gegen illegale Bauten in abgebrannten Waldgebieten vorgegangen.
Brände auch in anderen Teilen Europas
Nicht nur Griechenland war von Waldfeuern betroffen, auch andere südeuropäische Länder kämpften mit den Folgen der Hitze wie zahlreichen Waldbränden. Besonders hart hat es auch Frankreich und Spanien getroffen.
Der bisher schlimmste Brand des Sommers hat bei Òdena in Katalonien in zwei Tagen knapp 1.300 Hektar Wald und Agrarfläche zerstört. Das entspricht rund 1.500 Fußballfeldern. Ein Landwirt aus Òdena räumte ein, er habe das Feuer ohne Absicht mit einem Strohzerkleinerer verursacht. Ihm wird Fahrlässigkeit vorgeworfen.
Auch in Italien herrscht wegen der langen Hitzewelle in einigen Gegenden extreme Waldbrandgefahr, darunter auf der Ferieninsel Sardinien und in Südtirol. Insgesamt verzeichnete das nationale Forstamt etwa 50 Brände im ganzen Land, betroffen war demnach vor allem die südliche Region Kampanien mit etwa 20 Bränden.